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Wie bleibt man beim Englisch sprechen man selbst?

Die meisten Menschen haben das Gefühl, dass sie in einer fremden Sprache wie Englisch etwas verlieren und dadurch nicht mehr sie selbst sind. Könnte man es nicht auch anders sehen: Vielleicht gewinnt man sogar etwas durch Englisch? Oder - noch krasser formuliert: Ist man vielleicht in Englisch sogar mehr man selbst als in Deutsch? Dazu könnte man zunächst überlegen, was es eigentlich heisst, man selbst zu sein. Wann ist man "man selbst"? Wenn wir Deutsch reden, haben wir das Gefühl, direkt mit unserer Sprache verbunden zu sein, eins zu sein mit dem was wir sagen. In Englisch klafft da eine Lücke - und zwar zwischen dem, was wir sagen wollen und dem was aus unserem Mund herauskommt. Das ist es, was die meisten Menschen schmerzt. Und man wird sichtbarer - als Mensch. Mit all seinen Unsicherheiten, Ansprüchen, Rollenkonflikten und vielem mehr.

 

Wie bleibt man also in Englisch man selbst? Die Antwort lautet meiner Meinung nach: In einer Fremdsprache ist man sofort man selbst. Und das mögen viele (verständlicherweise) nicht. Entscheidend ist also der Umgang mit dem unausweichlichen Sich-Zeigen-Müssen. Andernfalls droht der Weg in die Sackgasse der Englisch-Blockade, aus der so viele alleine nicht mehr rauskommen.

 

Was ist so anders, wenn wir eine Fremdsprache sprechen? Hier einmal eine Sammlung möglicher Punkte:

 

1: Man spricht langsamer als sonst

2: Man spricht stockender als sonst

3: Man versteht den anderen vielleicht nicht sofort

4: Man kann nicht so witzig sein wie sonst

5: Die Sätze sind nicht so schön und eloquent wie sonst

6: Man wirkt vielleicht unsicher

 

Diese Liste liesse sich unendlich lang weiterführen. Jetzt möchte ich das Ganze einmal umdrehen. In Deutsch ist man also:

 

1: schnell

2: flüssig

3: auffassungsstark

4: witzig

5: eloquent

6: selbstsicher

 

Jetzt frage ich Sie: Wenn Sie die zweite Liste betrachten und sich einen Menschen dazu vorstellen - ist der Ihnen sympathisch?

 

Ich könnte mir vorstellen, dass die Antwort "Nein" lautet. Wir mögen es, wenn Menschen ein bisschen unsicher, nicht ganz so eloquent und mehr einfühlsam als witzig sind. Jedenfalls, wenn sie eine fremde Sprache sprechen. Stellen Sie sich mal einen Ausländer vor, der Deutsch schnell, flüssig, auffassungsstark, witzig, eloquent und dazu noch vollkommen selbstsicher spricht. Wo bleibt da der Charme des Fremden? Natürlich übertreibe ich hier ein bisschen. Aber wenn Sie das nächste Mal Englisch sprechen und sich im Stillen darüber ärgern, dass Sie dabei nicht Sie selbst sind, dann stellen Sie doch auch mal eine Liste auf von den Dingen, die angeblich anders sind als in Deutsch. Drehen Sie es um und fragen Sie sich dann, ob Sie einen Ausländer mit diesen Sprechqualitäten mögen würden.

Schreiben Sie mir gerne einen Kommentar dazu, ich bin gespannt!

 

Zu mir: Ich bin Natalie Marby, Therapeutin mit dem Schwerpunkt Englischphobie und starkes Vermeidungsverhalten gegenüber Englisch. Hier finden Sie weitere Informationen: Therapie bei Angst vor dem Englisch reden.

 

Zum Weiterlesen: Was eine Aversion gegen Englisch über ihren Typ aussagt.

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