Warum gibt es überhaupt so etwas wie "Fremdsprachen Angst?" Ganz einfach: Weil sich jeder Mensch beim Sprechen einer fremden Sprache sofort wieder wie ein kleines Kind fühlt. Lesen Sie hier, warum:
Grund Nr. 1: "Nicht verstehen"
Als Kind haben wir erlebt, was es bedeutet, etwas nicht zu verstehen: Es dauert einige Jahre, bis ein Kind sprachlich alles versteht, was um es herum gesprochen wird. Das Gefühl, das in einem Kind entstehen kann, wenn Erwachsene reden, ist folgendes:
"ich verstehe nicht, was die Großen da sagen"
Beim Englisch sprechen wird dieses Gefühl wieder aktiviert, vor allem dann, wenn man mit Englisch Mutterprachlern zu tun hat. Noch schlimmer ist die Situation, wenn im Kollegenkreis alle "super Englisch sprechen" und man selbst Mühe hat, überhaupt zu verstehen, was gesprochen wird. Dann fühlen Betroffene sich schnell wie ein Kind - dumm und nicht verstehend. Arbeitssituationen können psychologisch betrachtet sowieso viele Kindheitsgefühle aktivieren - allein dadurch, dass man wieder in einer Gruppe agiert, in der es Autoritäten (Eltern) gibt und Kollegen (Geschwister), die alte Gefühle unbewusst wieder wecken können. Wenn man zum Beispiel in der Ursprungsfamilie das jüngste Kind war, kann die Fremdsprache Englisch sehr unangenehme Erinnerungen an das Gefühl des Ausgelachtwerdens wecken. Damit verbunden sind dann oft auch Gefühle wie Wut und Ohnmacht, die jedoch unterdrückt werden, und das führt bei Englischangst-Betroffenen zu noch mehr Stress, denn sie spüren, dass Englisch bei Ihnen außer Angst auch Wut (oft auf sich selbst) aktiviert.
Grund Nr. 2: "sich nicht ausdrücken können"
Jeder kennt das: Man war als Kind klein und wurde manchmal nicht verstanden und auch nicht ernstgenommen, weil man noch nicht vernünftig sprechen konnte. Ein Kind, das etwas will und sich sprachlich nicht ausdrücken kann, wird vor allem eines spüren: Tiefe Frustration. Kinder, die weinen, wollen oft etwas und können es nicht ausdrücken. Erwachsene sind dann hilflos und reagieren manchmal mit Ärger - was zu noch mehr Hilflosigkeit, Wut und Frustration beim Kind führen kann. Hinter allem steckt die Unfähigkeit des Kindes, sich sprachlich adäquat auszudrücken. Kinder drücken sich vor allem emotional aus - und diese Sprache wird von Erwachsenen oft nicht oder falsch verstanden. Kinder müssen also lernen, dass es besser ist, die Muttersprache schnell und korrekt zu lernen, damit sie sich verständlich machen können und dadurch bekommen können, was sie wollen. Eine Fremdsprache kann dieses Gefühl wieder aktivieren:
"Ich bekomme nicht, was ich will"
Sich nicht ausdrücken zu können ist gleichzusetzen mit "nicht bekommen, was man will", und das kann bei Fremdsprachen Angst Betroffenen zu starken negativen Gefühlen führen. Als Konsequenz blockieren Betroffene sich dann unbewusst selbst, aus Angst vor Konflikten oder aus unbewusster Angst, überzureagieren.
Grund Nr. 3: "Ich bin dumm"
Als Kind war das ganz einfach: Wer sprachlich gut war, war oft der Kluge. Wer sprachlich nicht so gut war (und das waren oft die kleineren Kinder), der war "dumm". Das gehört gewissermaßen zur Kindheit dazu und bei den meisten Menschen führt das zu keinerlei Problemen. War die Kindheit allerdings negativ geprägt, kann eine Fremdsprache später wieder das Gefühl aktivieren, dumm zu sein - und das möchte als Erwachsener jeder vermeiden, vor allem im beruflichen Kontext. Manchmal ist die Angst davor, dumm zu erscheinen, so groß, dass Menschen eine Fremdsprache komplett verweigern. Hinzu kommt, dass gutes Englisch in der heutigen Zeit oft als ein Zeichen guter Bildung angesehen wird. Dieser Aspekt verstärkt für Menschen mit Englischangst die Problematik.
Grund nr. 4: "Ich bin klein"
Menschen, die glauben, dass ihr Englisch nicht gut genug ist, fühlen sich sehr schnell plötzlich degradiert. War man eben noch (beim Deutsch sprechen) der Teamleiter, fühlt man sich plötzlich aufgrund der Fremdsprache seiner Autorität beraubt. Viele Menschen fühlen sich beim Englisch sprechen "klein" und ausgeliefert, dabei ist das lediglich eine Interpretation der Situation, die oft von Kindheitserinnerungen begleitet wird. Hat man zum Beispiel früher erlebt, dass man in der Geschwisterrangfolge ganz unten stand, obwohl man nicht der jüngste war, kann das später als Erwachsener dazu führen, dass man jede Situation vermeidet, in der man sich wieder klein fühlen könnte. Eine Fremdsprache kann dann auch wieder komplett vermieden werden, um das Gefühl des Klein-seins nicht wieder erleben zu müssen.
Grund Nr. 5: "Ich brauche Hilfe"
Das ist für die meisten Betroffenen das allerschlimmste: Das Gefühl, z.B. beim Englisch sprechen auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein. Wenn man eine Fremdsprache spricht, ist man jedoch immer irgendwie auf Hilfe angewiesen, denn es ist nunmal nicht die Muttersprache, die man spricht. Auch wenn der Gesprächspartner keine Vokabeln liefert, wird er doch immer irgendwie helfen, zum Beispiel, indem er langsamer spricht, etwas wiederholt oder mit einfachen Worten ausdrückt. Menschen, die in ihrer Kindheit während des Spracherwerbs negative Erfahrungen mit dem Them "Hilfe" bekommen gemacht haben, können durch Englisch wieder diese alten negativen Gefühle reaktivieren. Beispiele hierfür sind:
- Hilfe nicht zu bekommen (alleingelassen werden)
- Anderen Menschen nicht zu Last fallen wollen
- Angst, weniger gemocht zu werden, wenn man 'hilflos' wirkt
- Das Gefühl, Hilfe nicht zu verdienen
- Die tiefe Überzeugung, es allein schaffen zu müssen
Diese Menschen müssen lernen, dass es vollkommen OK ist, sich beim Sprechen einer Fremdsprache helfen zu lassen. Hierfür müssen jedoch zunächst oft sehr viele unbewusste negative Glaubenssätze aus dem Weg geräumt werden - helfen kann dabei ein Therapeut oder Coach.
Haben auch Sie unerklärbare Sprachblockaden beim Englisch sprechen?
Es könnte sein, dass es sich hierbei um eine Fremdsprachenangst handelt, die durch Kindheitserinnerungen aktiviert wird. Fremdsprachenangst lässt sich therapeutisch sehr gut behandeln - hier erfahren Sie mehr über das Thema: Therapie bei Fremdsprachenangst
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