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Schüchternheit beim Englisch reden: Welche unbewussten Ängste stecken dahinter?

Plötzlich ist da so eine seltsame Schüchternheit: Man gibt sich die allergrößte Mühe, beim Englisch reden selbstbewusst und locker zu sein, aber innerlich wehrt man sich gegen die soziale Interaktion. Da ist ein Gefühl von Scham, Unsicherheit und Selbstzweifel machen sich breit - woher kommt das? Lesen Sie hier, was bei Englisch-Schüchternheit meist dahinter steckt:

 

Unbewusste Angst vor Bewertung

Der Hauptgrund für diese Schüchternheit ist die unbewusste Angst, von anderen negativ bewertet zu werden. Im Klartext bedeutet dies: "Ich will nicht, dass andere Leute denken, dass ich dumm/inkompetent/unsouverän/ungebildet bin." Dahinter steckt eine weitere, unbewusste Angst, nämlich die Angst vor Ablehnung. Gerade im Job wollen die meisten Menschen "dazugehören", d. h. sie achten darauf, die Erwartungen zu erfüllen, die sie glauben, zu erkennen. Bezogen auf Englisch können diese Erwartungen dann so klingen:

  • Von mir wird erwartet, perfekt Englisch zu reden
  • Von mir wird erwartet, einen selbstbewussten Auftritt auf Englisch hinzulegen
  • Von mir wird erwartet, beim Englisch reden Führungsstärke auszustrahlen
  • Von mir wird erwartet, meinem Gesprächspartner im englisch Gespräch Sicherheit zu vermitteln (und da darf ich nicht unsicher wirken)
  • Mein Gesprächspartner erwartet von mir, dass ich ihn sofort verstehe und mich klar und deutlich ausdrücke

So oder so ähnlich klingen meist die Stimmen im Kopf, die einem das Leben beim Englisch sprechen schwer machen und die dann dazu führen können, dass man sich plötzlich schüchtern fühlt. Um die Schüchternheit zu überwinden, muss man diese Überzeugungen infrage stellen und durch andere Sätze ersetzen. Dies erfordert oft die Hilfe eines aussenstehenden Menschen (z.B. eines Coachs oder Therapeuten), denn die unbewusste Angst vor Bewertung ist nicht bewusst, das heisst, sie wird vom Betroffenen selbst nicht deutlich erkannt. Man ahnt zwar, dass man Angst vor einer Bewertung hat, aber es ist einem nicht wirklich klar, was für ein "Programm" im Kopf abläuft und wie schnell und automatisch dieses Programm die Schüchternheitsgefühle triggert. Für die Überwindung von Englisch-Schüchternheit ist es sehr wichtig, die Trigger rechtzeitig zu identifizieren (die kritische Stimme im Kopf wahrzunehmen) und zu stoppen (der kritischen Stimme eine neue Überzeugung entgegenzusetzen) - und das erfordert sehr viel Achtsamkeit und Übung. Ein Experte kann helfen, diesen Prozess zu beschleunigen, zum Beispiel mit bewährten Techniken aus der kognitiven Verhaltenstherapie.

 

Angst vor Ablehnung

Die Angst vor Ablehnung ist ein weiterer wichtiger Grund für Schüchternheitsgefühle beim Englisch sprechen. Es ist viel schwieriger, in einer fremden Sprache mit dem Gefühl, abgelehnt zu werden, umzugehen. Sobald wir eine fremde Sprache sprechen, sind wir verletzbarer - das hat psychologische Gründe: Sprache ist für Menschen ein Schutz, es ist uns nur nicht bewusst, dass wir Sprache benutzen, um uns zu schützen. Sobald wir sprechen, fühlen wir unsere Gefühle ein Stück weit weniger. Aus diesem Grund ist Stille für viele Menschen so schwer auszuhalten - weil sie dann ihre Gefühle und auch die Gefühle anderer viel deutlicher wahrnehmen. Sobald man eine Fremdsprache spricht, ist der Schutz der Sprache plötzlich weg: Es fallen einem die Worte nicht so schnell ein und man kann vielleicht nicht so schnell etwas erwidern. Man muss sich das so vorstellen, wie eine Pistole die nicht sofort schießt, wenn man sie braucht. Das erzeugt ein unsicheres Gefühl und man wird vorsichtig, was sich dann in Schüchternheit ausdrücken kann.

 

"Schüchterne Extrovertierte" sind besonders oft von Englisch-Schüchternheit betroffen

Menschen, die schüchtern und gleichzeitig extrovertiert sind (sogenannte schüchterne Extrovertierte), haben besonders oft mit Englischangst zu kämpfen, und zwar aus dem folgenden Grund: Diese Menschen sind von Natur aus schüchtern, haben sich jedoch im Laufe ihres Lebens eine Extrovertiertheit angeeignet, um sozial adäquat interagieren zu können. Das heisst, die Extrovertiertheit ist eine Rolle, die sie sich über viele Jahre antrainiert haben, oft durch das Beobachten und Kopieren anderer, extrovertierter Menschen. Schüchterne Extrovertierte verstecken somit ihre Schüchternheit, und das geschieht sehr oft über die Sprache - und zwar durch Kommunikationsstärke, denn viel zu reden und intensiv zu interagieren wird oft als extrovertiert wahrgenommen.

 

Schüchterne Extrovertierte geraten beim Englisch sprechen ins Wanken

Wenn diese Menschen eine Fremdsprache sprechen sollen, werden sie ohne Vorwarnung mit dem alten Gefühl der Schüchternheit konfrontiert, denn die naturgegebene Schüchternheit ist meist noch da, sie wurde lediglich durch ein Verhalten (viel kommunizieren) überdeckt. Es fehlt diesen Menschen dann die Möglichkeit, ihre Schüchternheit, die ein grundlegender Teil ihres Wesens ist, zu verstecken, da sie nicht über die sprachlichen Mittel ("perfektes Englisch") verfügen. Da solche Menschen oft die unbewusste Überzeugung haben "Ich darf im Gespräch nicht schüchtern wirken" sitzen sie somit in der Falle und trauen sich dann gar nicht, ein englisches Gespräch zu führen. Oft steckt dahinter eine Kindheitserfahrung, wie zum Beispiel ein Drängen der Eltern oder der Lehrer "doch mal aus sich herauszukommen". Die meisten Kinder versuchen, diesem Drängen nachzugeben und entwickeln dann alle möglichen Strategien, um den Erwartungen der Eltern oder anderer Bezugspersonen zu erfüllen. In jedem Fall spielen diese Kinder aber eine Rolle, denn Schüchternheit lässt sich durch eine Verhaltensänderung zwar gut verstecken, aber sie geht davon nicht weg. Aus solchen Kindern entwickeln sich dann Erwachsene, die die extrovertierte Rolle so gut spielen können, dass sie vergessen, wie schüchtern sie als Kind waren.

 

Schüchternheit wurde in der Kindheit oft mit "nicht richtig" gleichgesetzt

Ein schüchternes Kind wird häufig ermuntert, "nicht so schüchtern" zu sein und damit gibt man (wenn auch subtil und meist ungewollt) dem Kind das Gefühl, dass etwas mit ihm nicht ganz richtig ist. Das hat bei den meisten Kindern keine negativen Auswirkungen, allerdings führt das spätere Sprechen einer Fremdsprache zu einem erneuten inneren Konflikt zwischen dem eigenen schüchternen Wesen und den Erwartungen der Welt. Ein englischsprechender Erwachsener, der Schüchternheit beim Sprechen spürt, wird vermutlich unbewusst überzeugt sein, dass er abgelehnt oder für weniger kompetent gehalten wird, wenn er schüchtern wirkt. "Es ist etwas falsch mit mir, ich darf nicht schüchtern sein" ist dann vielleicht der Satz, der im Kopf herumgeistert - und man muss erkennen, dass es ein Satz aus der Kindheit ist. Wenn Sie solche Sätze in Ihrem Denken wahrnehmen, dann fragen Sie sich einmal: Stimmt das überhaupt? Was ist denn so schlimm daran, schüchtern zu sein?

 

Schüchternheit kann etwas Gutes sein

Um Englisch-Schüchternheit zu überwinden, muss man radikal an den eigenen unbewussten Überzeugungen arbeiten, indem man sie infrage stellt. Das ist nicht ganz einfach, weil wir alle konditioniert sind, d.h. wir haben als Kind bestimmte Überzeugungen (oft von den Eltern) fraglos übernommen. Als Erwachsener läuft man dann quasi auf dem gedanklichen Programm, das die Eltern einem übergeben haben und das sie selbst von ihren eigenen Eltern bekommen haben. Aus diesem Grund gibt es in Familien sogenannte generationsübergreifende Konflikte, da unbewusste Überzeugungen von Generation zu Generation weitergegeben werden, ohne dass diese Überzeugungen einmal infrage gestellt werden. Schüchternheit hat zum Beispiel viele gute Aspekte: Man gibt dadurch anderen Menschen Raum, man verletzt seltener die Gefühle anderer, man nimmt sich selbst und andere besser wahr und zeigt oft mehr Respekt und Rücksicht. Versuchen Sie doch einmal für sich selbst eine Liste positiver Aspekte Ihrer Schüchternheit aufzustellen und stellen Sie vor allem die Erwartungen infrage, die Sie glauben, in Ihrem Umfeld wahrzunehmen, wenn es um das Thema Englisch geht. Vor allem die Erwartung "Ich muss perfekt Englisch sprechen" ist oft nicht der Fall. Perfektes Englisch entwickelt sich über die Zeit und mit zunehmender Sprechpraxis. Niemand spricht eine Fremdsprache sofort fließend und fehlerlos, jeder fängt mal an und dann spricht man einfach, bis man merkt: Jetzt habe ich den Bogen raus. Sie dürfen dabei schüchtern sein und seien Sie vor allem nett zu sich, bewerten Sie sich selbst nicht zu streng und seien Sie stolz darauf, dass Sie überhaupt eine fremde Sprache sprechen, denn das ist nicht selbstverständlich.

 

Brauchen Sie Hilfe bei der Überwindung Ihrer Englisch-Schüchternheit?

Ich bin Natalie Marby und ich biete (auch online) seit 2011 eine spezielle Therapie gegen Englisch Sprechangst an. Ich biete jedem Interessenten die Möglichkeit, in einem kostenfreien einstündigen Ersttelefonat zu schauen, ob Sie mit mir arbeiten möchten. In diesem Ersttelefonat und auch in der späteren Therapie sprechen wir nur Deutsch, es sei denn, Sie möchten von sich aus mit mir Englisch sprechen. Zur Vereinbarung des Erstgesprächs können Sie mir einfach eine Nachricht schicken und ich sende Ihnen dann Terminvorschläge. Hier gelangen Sie zum Kontaktformular - ich freue mich, von Ihnen zu hören!

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